
Sanna, Peter, Oskar & Ida
Heidweiler
Winter 2022
Italien & Balkan
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12.2.2022
Schloss- und Badefestspiele
Auftakt durch den wirklich netten Campingplatzbesitzer und Chauffeur, der die ganze Mannschaft in die Innenstadt Gjirokasters karrte. Der Fußweg führte uns durch den entzückenden Altstadtkern mit penibelst aufeinander abgestimmten Bars, Cafés, Minimärkten und Souvenirlädchen - diese Gassen bilden neben dem imposanten Schloss (vor fantastischer Bergkulisse) das touristische Aushängeschild Girokasters. In einem der Restaurants verputze man dann richtig leckere Pizza und traditionelle Fleischklößchen zum Mittagessen. Und das bestellte Lemon Soda? War nicht vorrätig...wie gut, dass der Kellner gleich in den Minimarkt direkt gegenüber einkaufen konnte! Der Fluss Vorsë begleitete uns auf der Weiterfahrt nach Benjë, einem natürlichen Thermalbecken mit 28 Grad Wassertemperatur. Die Sträßchen dorthin so schmal, dass unser Außenspiegel dran glauben musste...glücklicherweise nur ein gebrochenes Gehäuse und eine abgeplatzte Ummantelung der Kabelstränge. Die Unfallgegner, mehrere junge Albaner in einem alten Pritschenwagen, gaben Monsieur zu verstehen, dass das verlorene Plastikteil egal sei - forget the plastic. Forget it! Just go. Go! Das war tatsächlich eine etwas mulmig anmutende Situation...aber bisher die erste und hoffentlich einzige dieser Art! Sonst können wir an dieser Stelle nur betonen, wie überaus freundlich die Menschen hier sind! Und so fasziniert von den Haaren des Minimonsieurs - hier kennt man keine roten Haare und Sommersprossen. Und so kam es, dass ihm von Einheimischen bedächtig, sanft und doch völlig begeistert über das Haar gestrichen wurde. Irgendwie berührend (auch wenn Hitch sagen würde - dein Tanzbereich, mein Tanzbereich!). Zum Tanzen kamen wir heute nicht mehr - aber zum Baden in dieser mollig warmen Thermalquelle ziwschen den schneebedeckten Bergen. Grandios...








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13.2.2022
Pfälzer Kaffeepäuschen
Nach einem morgendlichen Bad in der Benjë Thermalquelle, die man aufgrund der frischen Außentemperaturen am liebsten niemals mehr verlassen hätte, verließ man diesen wunderschönen Ort und überließ ihn den übrigen Touristen. Da parkten diesmal tatsächlich fast eine handvoll Wohnmobile, davon gleich 6 aus Deutschland. Bei der Ausfahrt zur Straße hin traf man dann tatsächlich 2 Camper im umgebauten Feuerwehr-Einsatzwagen aus...Pirmasens! Nach dem obligatorischen Kaffee und einem kleinen Plausch passierte man auf dem Weg Richtung Nord-Osten fantastische Flusstäler, eingebettet in schneebedeckte Berge. Madame schwitzte - trotz eisiger Temperaturen und eingeklapptem Spiegel. Zeit zum Durchatmen hatte sie dann am nächsten Campingplatz - mitten in Albaniens Bergen und umgeben von Schnee. Wirklich durchatmen konnte man dann abends im angeschlossenen Restaurant allerdings nicht mehr...dort herrschte ziemlicher Dunst - nicht nur vom Feuer im offenen Kamin, sondern vor allem von den rauchenden Gästen. Wir sind es einfach nicht mehr gewöhnt - und weiß Gott unglaublich froh darüber! Gewöhnungsbedüftig auch der albanische Comedian und Moderator, der mit seiner Gefolgschaft am Nachbartisch saß. Alle überschwänglich nett (lag vermutlich auch am übermäßigen Raki-Genuss), aber der gute VIP-Mann brachte als Begleitung einfach mal so seine Jagdwaffe mit! Geht gar nicht. Egal, in wieviel TV-Formaten man auftritt.




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14.2.2022
Verrückte Welt
Das Frühstück nahm man an diesem Morgen ebenfalls im Campingplatz-Restaurant ein...serviert wurde das Brot in knapp 5cm dicken Stücken, dazu ein Krug frische warm dampfende Milch, Butter, Schafskäse und zuckersüß eingelegte Früchte in Sirup. Eigentlich ein durchaus leckeres Frühstück...wenn da nicht dieser Qualm wäre! Selbst der Kellner steckte sich einen Glimmstengel an während er fleißig den Kaffee zubereitete. Das gehört hier wohl einfach (noch) dazu. Genauso wie die ständige Bedudelei durch Balkan-Pop - bisher fanden wir kein einziges Restaurant ohne die lautstarke Beschallung. Beschallt wurde insbesondere Monsieur - das albanische TV-Sternchen gab ihm Tipps, zeigte Schnappschüsse seiner Boote (und sich selbst) an der Küste und betonte nochmals, wenn man irgendetwas bräuchte, solle man sich nur melden - er könne ihm auch gerne seine Waffe leihen. Für die Jagd in den Wäldern direkt um die Ecke. Und eine Angel-Lizenz? Haha! In Albania nobody cares of what you are doing! Just do it! Und den Inhalt der Chemietoilette solle man ruhig in den Fluss auf dem Gelände schütten, der führt an der Stelle schließlich vom Grundstück weg. No Problem! Die Welt ist hier eine ganz andere als wir sie von zuhause gewohnt sind. Das merkt man an so vielen Dingen - die minderjährige Tochter der Besitzer, die als Dolmetscherin fungiert, weil sie als Einzige etwas Englisch spricht, besucht derzeit keine Schule - die ist erstens zu weit weg und im Winter meist schwierig zu erreichen und zweitens wird sie auf dem Campingplatz mehr gebraucht. Gebrauchen könnten sie obendrein mehr Besucher. Wir seien die ersten Camper seit dem Jahreswechsel. Und trotzdem bezahlten wir nichts für die Übernachtung und den Strom. Lediglich umgerechnet 22€ erhoben sie für das Abendessen und das Frühstück. Verrückte Welt! Die Welt auf der Weiterfahrt führte uns geradewegs ins Niemandsland. Von Schlaglöchern durchzogene Schotterpisten wechselten sich mit geteerten Teilstrecken ab, die urplötzlich wieder zu unbefestigten Straßen wurden. Die wenigen kleinen Ortschaften, die wir passierten, zeigten vor allem eins - Armut. Einfachstes Leben. Oftmals zwischen Müll und Dreck. In Erseke, dem am höchsten gelegenen Städtchen Albaniens, erledigte Madame einen kleinen Einkauf - für 1 großes Brot, 5 Äpfel, 6 Karotten, 3 Flaschen Milch, 5 Bananen, 1 große Packung Kekse sowie eine Schale Erdbeeren zahlte sie 280 Lek, umgerechnet 2,33€. Für uns kaum zu glauben. Kaum zu glauben waren auch die Worte des Mannes, der uns eine Parkmöglichkeit in der größeren Stadt Korçe vermittelte - wir sollten doch die beiden mit einem dicken Schloss gesicherten Kinderräder vom Fahrradträger nehmen und sie vorsichtshalber ins Wohnmobil stellen. Den anschließenden Stadtrundgang begleitete irgendwie ein ungutes Gefühl...die Aussage des Mannes gab uns zu denken und ließ vor allem Madame nicht mehr ganz so leichten Herzens durch die Gassen flanieren (obwohl sie beispielsweise auch in Berlin die Räder vom Träger genommen hätte). Hier fällt man nach wie vor auf - manche Blicke verfolgen uns regelrecht, weil wir eine fremde Sprache sprechen und so anders aussehen als die meisten Einheimischen. Wie mag es da erst Migranten gehen, die ihren Lebensmittelpunkt langfristig in ein anderes, fernes Land verlegen (müssen)?! Die Schere zwischen Wohlstand und Armut klafft hier unheimlich weit auseinander. Gerade in Korçe wurde das einmal mehr deutlich - eine Luxuskarosse nach der anderen, aber junge Mütter, viel zu kalt angezogen für die winterlichen Temperaturen, mit noch spärlich bekleideteren Kleinkindern auf dem Arm, Verkäufer in zerschlissener Kleidung, die den ganzen Tag am Straßenrand stehen in der Hoffnung, zum Valentinstag ein paar mehr Blümchen verkaufen zu können als sonst. Zu viel für Madame...zurück im Wohnmobil kullerten die Tränen. Vor Demut und Dankbarkeit, dass das eigene Leben von Freiheit und Wohlstand geprägt ist, aber insbesondere vor Mitgefühl mit all den Menschen, denen diese Privilegien nicht vergönnt sind...gute Fee - wir könnten dich wirklich gebrauchen!




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15.2.2022
Entschleunigung
Das brauchen wohl alle gerade - zur Ruhe kommen, Seele baumeln lassen, durchatmen. Wir hatten heute dieses Glück und taten genau das - am Ohrid See. Absolute Windstille. Spiegelglattes Wasser. Kristallklar. Und dieser fantastische Blick auf den See und die schneebedeckten Berge Nordmazedoniens. Gesellschaft leisteten uns einige Hunde und eine Katze...treue Begleiterin auf unseren Erkundungstouren am Seeufer. Entschleunigung - wir wünschen sie euch allen!






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16.2.2022
Auf Wiedersehen, willkommen zurück!
Der Tag begann mit einer unerwarteten Begegnung...zurück vom morgendlichen Spaziergang wurden wir herzlich auf Deutsch begrüßt. Toni macht gerade Urlaub...zu Hause! Er stammt aus einem kleinen Dorf hier in der Nähe, pendelt aber seit 3 Jahren zwischen Albanien und Hamburg, um dort auf dem Bau Geld zu verdienen. Ohne Papiere. Alle 5-6 Monate muss er zurück in die Heimat, um kurz danach wieder einzureisen. Was soll ich machen? Hier sitzt man nur den ganzen Tag herum, trinkt Kaffee und raucht. Es gibt hier keine Arbeit. Was soll ich machen? Der äußerst nette Albaner, 20 Jahre jünger als Madame (in Worten ZWANZIG!), war derart begeistert uns deutsche Urlauber zu treffen, dass unbedingt noch ein paar Schnappschüsse gemacht werden mussten. Dankeschön, Dankeschön entfuhr es ihm immer wieder. Welch eine schöne Begegnung! Heute hieß es - Auf Wiedersehen, Albanien! Denn auf der Weiterfahrt Richtung Norden verließen wir das Land und statteten dem Nachbarland Nordmazedonien einen kleinen Besuch ab. Auf den ersten Blick wirkte es wohlhabender und etwas westlicher, das Müllproblem aber auch hier unfassbar groß! Das Bild entlang der eigentlichen wunderschönen schwarzen Drin (die durch den wilden Flusslauf ganz eigentümlich aussieht) ein einziges Trauerspiel. Man kann nur hoffen, dass auch hier bald ein Umdenken stattfindet. Am besten gestern. Oder vorgestern. Von Vorgestern war das später besuchte Restaurant keineswegs...im Kajak Club Debar speiste man mit fantastischem Blick auf die Drin. Die Gäste sehr chic gekleidet, einzig und allein unsere bunte Outdoorkleidung wollte nicht so recht ins Bild passen. Geschmeckt hat es trotzdem - für 18€. Zusammen. Willkommen zurück! Die wiederholte Einreise nach Albanien an diesem Tag brachte ein irrwitziges Gefühl mit sich. Eine gewisse Vertrautheit. Irgendwie. Kann man, nur mit Grenzübertritt in bereits Bekanntes (seit immerhin 6 Tagen! Haha.), ein größeres Zuhause-Gefühl haben? Anscheinend schon. Klingt komisch, war aber so. Nach einer langen Fahrtzeit von gut 2 Stunden (und lediglich gefühlten 30 vorangekommenen Kilometern auf den kurvigen Bergsträßchen) erreichte man das ersehnte Nachtlager in Peshkopia auf einem familiengeführten Campingplatz. Träumt süß von sauren Gurken!
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17.2.2022
Kirschrubine
Wie kugelrunde dunkelrote Rubine schwammen die Kirschen eingelegt in süßem Zuckersaft im Einmachglas und warteten nur darauf verspeist zu werden. Genauso wie die Bernstein-Quitten im Glas daneben. Zati, die Besitzerin des Campingplatzes, lud noch gestern Abend auf einen kleinen Umtrunk in ihr Haus ein. Im Empfangszimmer, das gleichzeitig Küche und Wohnzimmer ist, servierte sie Eingenmachtes aus dem eigenen Garten (die Kirschen wanderten zu Hunderten in die Bäuche der Minimenschen) mit Kaffee und Schokoladenkeksen. Der Raum selbst sehr klein, geheizt mit einem kleinen Holzöfchen in der Mitte, und nur einer von insgesamt 3 Zimmern in diesem Häuschen (Dusche und Toilette befinden sich in einem Anbau, der nur über den Garten erreichbar ist), die sich Zati und ihr Ehemann mit den beiden Enkeln teilen. Samantha und Christian sprechen mit ihren gerade einmal 12 und 9 Jahren nahezu fließendes Englisch und spielten Übersetzer an diesem Abend. Gemeinsam saßen nun die 4 deutschen Urlauber mit dieser albanischen Familie in deren eigenen, privaten 4 Wänden, die eine Gastfreundschaft zelebrierte, wie sie wohl nur ganz selten zu finden ist! Diese Herzlichkeit sprang uns auch an diesem Morgen entgegen - Frühstück mit warmer Milch, getoatstetem Brot, Nutella und 4 riesigen Omeletts, von denen Dreidreiviertel Madame und Monsieur verputzten (Eiweißschock inklusive!). Aber es schmeckte köstlich. Und Zati? So goldig, dass man sie am allerliebsten als Zusatzoma mit eingepackt hätte. Beschenkt wurden dann die Minimenschen (und nur sie!) mit 2 großen Gläsern süßer Gartenrubine. Und wir? Mit so viel Herzlichkeit, dass es für lange Zeit hält. Faleminderit, Zati!




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18.2.2022
Szenenwechsel
Nach der herzlichen Verabschiedung von Zati hieß es gestern - ab in die Berge. Über schmale Spitzkehren, Haarnadelkurven und Bergpässe schlichen wir uns an Kukës ganz im Osten heran. Die kleine Pause kurz nach dem Pass nutzte Minimonsieur zum Schlitten fahren. Zwei albanische Jungs, vielleicht 7 oder 8 Jahre alt, überließen ihm stolz ihre selbstgebauten Schneeflitzer aus Kunststoffrohren und alten Holzbrettern und hatten trotz immenser Sprachbarrieren (kein Englisch und des Lesens noch nicht wirklich mächtig...) augenscheinlich richtig viel Spaß bei dieser Begegnung. Wie wir. Die gestrige Nacht verbrachte man dann an der weißen Drin mit türkisfarbenem Wasser...Türkis war auch die Farbe des heutigen Tages! Ab ans Meer. In 1,5 Stunden vom Osten in den Westen, vom Schnee an den Strand - was für ein Szenwechsel. Solche krassen Gegensätze begegnen uns bereits seit dem ersten Tag in Albanien - 9 von 10 PKWs stammen aus dem Hause Mercedes Benz. Von asbachuralt Modellen bis hin zu sündhaft teuer ausgestatteten Fahrzeugen ist eigentlich alles dabei. Wie sie sich geleistet werden können bei einem Durchschnittseinkommen von gerade einmal 300€ monatlich, ist und bleibt wohl auch ein kleines Rätsel. An den Straßenrändern beobachten wir immer wieder kleine zusammengezimmerte Verkaufsständchen mit drölfzillionen Chipssorten (ungelogen!), Honig, Orangen, eingelegten Früchten und Weihrauch. Und Straßenhunde! Die gibt es hier tatsächlich wie Sand am Meer...und sind trotz wildem Leben sehr sehr menschenfreundlich und sanftmütig. Das bleiben sie auch bei der hohen Hup-Dichte hier im Land. Denn wenn auf den schmalen Straßen (oder auch engsten Kurven) überholt wird, erfolgt kurz zuvor das obligatorische Hupen, um den Überholvorgang anzukündigen. Manche Verkehrsteilnehmer hupen während des kompletten Überholens in Endschlosschleife! Auf unseren Fahrten mitten durch die wilde Landschaft passieren wir ebenfalls in gefühlter Endlosschleife Fußgänger und Fahrradfahrer, die anscheinend auch größere Strecken entlang der Landstraßen zurücklegen - schwer bepackt mit Taschen, Tüten, Bündeln mit Feuerholz, ja sogar ganzen Matratzen. Dazu gesellen sich unzählige Schaf-, Kuh- oder Ziegenhirten, die oftmals nur ein einziges Tier besitzen. Menschen, deren ganzes Hab und Gut auf den Rücken eines Esels geschnallt ist, Landwirte, die nur mit einem Spaten ihre Felder per Hand bearbeiten...und uns beim Vorbeifahren immer wieder mit einem ehrlichen, breiten Lächeln und einem Winken begrüßen. Manches Mal würden wir diese faszinierenden, wettergegerbten Menschen gerne fotografieren, aber welches Recht gibt es, sie einfach abzulichten? Genau. Keines. Deshalb tragen wir diese Bilder in unserem Inneren. Sie werden uns verändern.

