
Sanna, Peter, Oskar & Ida
Heidweiler
Sommer/Herbst 2021
Skandinavien
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23.8.2021
Großstadtluft
Nach unserem wirklich schönen Aufenthalt auf dem Høgkjølen Fjellcamp, auf dem so gar nichts (mehr) los war (man merkt, dass die norwegischen Sommerferien zuende sind...), wollten wir nach 2 Tagen in der Einöde mal so richtige Großstadtluft schnuppern und fuhren in fast null komma nix nach Trondheim, der knapp 200.000 einwohnerstarken Stadt am...äh Trondheimfjord.
Geschnuppert haben wir dann vor allem Shoppingluft...wunderschöne, hippe, trendige Läden in genauso schönen, oft aus dem Jugendstil stammenden Bauten präsentierten Goldstücke in dem von Madame so heiß geliebten Skandi Style - weiß, clean, viel Holz und trotzdem hyggelig. Hach...da wäre Frau am liebsten eingezogen.
Und hier - mehr Bio und økologisk als jemals zuvor in den nördlichen Breiten. Es geht also doch. Auch beim Brot! In Gudts Brot erstanden wir dann tatsächlich ein krosses Bio-Sauerteigbrot. Eingepackt in einer Plastiktüte. Kann man machen, muss man aber nicht! Die Scheibe übrigens so teuer wie ein Monatsgehalt. Dort genossen wir außerdem ganz dekadent, weil einfach soooo lecker, 4 Zimtschecken zum Preis eines 1-Karäters. Man gönnt sich ja sonst nichts!
Gegönnt haben wir heute aber insbesondere unseren Kindern etwas - nachdem wir nun gute 4 Wochen unterwegs sind und sie die Reise wirklich ganz hervorragend meistern, war es Zeit für eine kleine Überraschung. Aus der Kleinigkeit ist dann irgendwie doch eine Großigkeit geworden...
Nach dem Besuch des wunderschönen Doms mit sagenhaft filigranen Figuren und des gefühlt 25 km langen Spaziergangs durch die Innenstadt, liefen wir mit zwei Minimenschen auf den Schultern im Schweinsgalopp zum Spielzeugladen. Wir mussten uns schließlich beeilen, um noch vor Ladenschluss dort zu sein. Um 16h. Ganz genau - hier haben die Läden Öffnungszeiten wie in Deutschland vor 20 Jahren. Aber - vielleicht noch so ein Glücks-Faktor im Norden...
Das besagte Kinderparadies empfing uns schon vor dem Eingang mit auf Knopfdruck singenden Rentieren. Hakuna matata. Auf Norwegisch. Was auch sonst. Ab da liefen die Kinder wie in Hypnose versetzt durch die Gänge, die Eltern rasten nahe der Hyperventilation hinterher!
Die Entscheidung fiel - auf zwei funkelnde Einhörner der Firma Schleich (keine Werbung!!!!), mit rosafarbener Muschel auf dem Popo. Darin eingelassen - 3 Kunststoffedelsteine in Pastellfarben. Passend dazu der Schweif in Rosa, Lila und Türkis mit kleinen Glitzerpünktchen. Hurra.
Die zweite Wahl war auch nicht wirklich elternfreundlicher. Eine tönende Plastik-Feuerwehr mit Sirenensound und anderen lautstarken Geräuschen (zum Glück nicht den 80€ teuren Playmobil Feuerwehr-Truck, den es in Deutschland für genau 29,99€ gibt!). Die Eltern bereuten schon jetzt ihre Entscheidung. Hätten sie es doch bei den Handschuhen und langen Unterhosen belassen. Jaaaa, richtig gelesen. Es ist Zeit, die Sommerkleidung in die Heckgarage zu verbannen und die Winterjacken aus ihrem Tiefschlaf zu erwecken. Es ist schließlich schon Ende August! Und kälter als gedacht. Der Kauf der winterlichen Accessoires für die Kinder leider ein notwendiges Übel...jahaa, eigentlich schon alles vorhanden. Liegt schön gefaltet in Hausnummer 14.
Früher, ja früher war irgendwie mehr Lametta. Da trug man nach dem Shoppen prall gefüllte Taschen mit Kleidung, Dekoartikeln und Kosmetikprodukten beschwingt nach Hause. Heute sieht die Shoppingausbeute irgendwie anders aus.
Kassensturz des heutigen Tages (in Euro!)
Parken 17,50
4 Zimtschnecken 16,80
Sauerteigbrot 7
Plastik-Feuerwehr 39,90
Kitsch-Einhörner 38,80
2 lange Unterhosen 59,80
2 Paar Handschuhe 39,80
Abends wollten sich auch die Eltern nach diesem Tag ganz großstadtlike doch noch ein wenig Luxus gönnen - Tapas. In Form von...kindlichen Essensresten. Ein halbes Käsebröt, ein Stück Schinkenbrot und die Kruste eines Butterbrots. Dazu eine Viertel Zimtschnecke vom Mittag.
Früher, ja früher war irgendwie mehr Lametta.
Mahlzeit!






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24.8.2021
King of the road
Morgens 8h30 an der Steinvikholmen in Norwegen. Trügerische Stille. Bis ein Sirenengeräusch die morgendliche Wohnmobilharmonie zerstört. Dazu juchzende Einhörner, die sich von einer imaginären Rutsche in die Tiefen des Bettes stürzen. Wir wissen jetzt auch, dass zur Reinigung des Feuerwehrfahrzeugs die Sirenen eingeschaltet sein müssen. Permanent. Aber das mal nur am Rande.
Nach der gestrigen Großstadtluft erwartete uns am Nachtlager wohl genau das Gegenteil. Wir campierten, ca. 45min von Trondheim entfernt, an der Steinvikholmen, einer aus dem Spätmittelalter stammenden Kirchenburg (besser gesagt - das, was noch übrig davon ist). Die Festung selbst liegt auf einer Insel, zu erreichen über einen mit dem Festland verbundenen Steg.
Und wieder hatten wir Gelegenheit, Schnecken und Muscheln zu sammeln. Zu Hunderten, ja Tausenden lagen sie da am Ufer verstreut. Bei jedem Schritt knirschten die kalkigen Schnörkel wie Schnee unter den Füßen.
Schnee sollte uns heute glücklicherweise nicht begegnen, aber Regen...dieser Reeeeegen. Das erste Mal hatte man so etwas wie ein kleines Heimwehflimmern im Herzen...nach einem Haus. Mit viel Platz. Wo man auch bei Regen seinen Rückzugsort hat.
Unsere Rückzugsorte sahen heute wie folgt aus - Fahrer-, Beifahrer- und Kindersitze.
Was sollte man auch anderes machen bei diesem Schietwetter?! Wir spielten also King of the road und waren für 250 km sage und schreibe 4 Stunden unterwegs. Auf der E6. Der Hauptautobahn hier in Norwegen. Einspurig. Tempolimit je nach Straßenabschnitt zwischen 60 und 90. Da kann man froh sein, wenn man pünktlich zum St.Nimmerleinstag am Ziel ist.
Unter Aufwendung aller, wirklich aller Kräfte (Snacks, elterliche Bespaßung, fast einstündige Inanspruchnahme dessen, dessen Name nicht genannt werden darf) kamen wir dann auch an - auf einem Parkplatz direkt an der Kystriksveien. Panorama-Straße nach Nord Norwegen. Heute ohne Panorama.
Und mit dem sturzbachähnlichen Regen (der seit heute Morgen kein einziges Mal pausierte!) schliefen die Kinder ein. Vor 21h. War eben ein richtig anstrengender Tag!



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25.8.2021
Der Berg ruft
Die letzte Nacht war...sagen wir, durchwachsen. Unruhiger Schlaf beherrschte sie. Nicht bei den Kindern. Sondern den Eltern. Ähnlich wie auf Ona beschenkte uns der Wettergott orkanartige Sturmböen, die das Wohnmobil unbarmherzig schaukelten wie ein nussschalgroßes Schiffchen auf dem Nordatlantik bei Unwetter. Im Wechsel dazu - prasselnder, ohrenbetäubender Regen.
Wie gut, dass auf diesem wunderschönen Parkplatz samt Bushaltestelle und Toilette zunächst noch eine kleine Sitzgruppe kam bevor es in die Tiefe ging. Da würde das Wohnmobil im schlimmsten Fall einfach nur umfallen und nicht den Abhang hinunterstürzen. Monsieurs Sorge galt nicht der Standhaftigkeit des Wohnmobils, sondern der Festigkeit umliegender Bäume.
Als wäre das nicht genug, beschäftigte uns ein rätselhaftes Brummen. Oder Rauschen. So ähnlich wie das Geräusch einer Lüftung. Irgendwann war Madame davon überzeugt, es sei eine defekte Gasleitung und kurz davor aus dem Wohnlobil zu springen. Musste sie dann nicht tun. War das Rauschen des Wasserfalls direkt neben dem Parkplatz. Da muss man auch erstmal drauf kommen!
Aber immerhin - dank Adrenalinausstoßes war nun auch der letzte Übernächtigte hellwach. Musste er auch. Die Fähre wartete und legte um 10h30 ab. 5min vor Abfahrt erreichten wir etwas verschwitzt den Fährkai und hatten nach der 20minütigen Überfahrt nochmals eine gute Stunde Fahrt zum Torghatten. Das war ja ein Klacks zu der Tour gestern!
Und - es herrschte seit dem späteren Vormittag ein traumhaftes Wetterchen und der wunderschöne Helgelandskystenweg tat sein Übriges zur deutlich gehobeneren Stimmung.
Angekommen waren wir dann am Fuße des Torghatten auf dortigem Campingplatz. Zum Rabattpreis von 400 NOK die Nacht. Was für ein Schnäppchen. Seit dem 15.8. gilt hier nämlich die Nebensaison. Sonst 500 NOK. Für einen außer der Landschaft gar nicht mal so tollen Platz...Santitäranlagen - naja. Tiefe Freude über Badeschuhe an dieser Stelle!
Auf dem Spielplatz kauerten wir zur Freude unserer Kinder irgendwann im Bauch eines sehr in die Jahre gekommenen Holzschiffes. Umgeben von Schlamm, üblem Geruch und verfaultem Gras. Dann doch lieber eines der Glamping-Häuschen direkt am Meer. In Zeltform. Ein bisschen Camping-Feeling muss schließlich sein.
Ein ganz anderes Feeling erwartete uns bei anschließender Wanderung auf den Torghatten.
Dieser Berg mit seinen 285 Metern hat eine geologische Besonderheit - in ihm klafft ein etwa 35m hohes und rund 160 langes Loch.
Noch so eine unglaubliche Naturerscheinung. Mit sehr wenig Publikumsverkehr. Je weiter wir Richtung Norden und dem Herbst kommen, desto leerer wird es um uns herum. Auch mal schön...








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26.8.21
Fährglück
Sommer, Sonne, Sonnenschein. Auch heute. Auf dem Helgelandskystenweg fühlten wir uns der französischen Côte d'azur näher als dem norwegischen Nordland.
Und was läge da näher als dem Meer zu frönen. Inselhopping! Per Fähre. Was denn sonst! Anders wären wir auch gar nicht zum Zielort gekommen. Höchstens mit dem Flugzeug. Ohne Pilotenschein keine gute Idee.
Aber - aller guten Dinge sind 3. Auch bei den heutigen Fähren.
13h10 - 13h30 Horn nach Andervågen
14h10 - 15h15 Forvik nach Tjøtta
16h35 - 16h55 Søvik nach Herøy
Auch ohne Alkoholkonsum hatte Madame zwischenzeitlich den Überblick bei all dem Gefähre völlig verloren, befahl die Kinder in die Sitze, weil man gleich nach dem Anlegen weiterfahren würde - und merkte dann erst, dass man just in dem Moment ja erst auf die nächste Fähre auffuhr...
Zwischenzeitlich fühlte man sich wie auf einer Minikreuzfahrt im Mittelmeer. Mit Essen an Bord. In diesem Fall - ein unbesetzter Kiosk mit Selbstbedienung und eigenständiger Kartenzahlung. Aber videoüberwacht. Die obligatorische Kreuzfahrtshow flimmerte als norwegisches Kinderprogramm über die Bildschirme. Was will man meer?!
Mehr hatte man vor allem auf dem Meer. Neben hunderten Felsformationen ragten insbesondere die sieben Schwestern (eine Bergkette mit sieben kleinen Gipfeln, darunter ein Zwillingsgipfel) imposant aus dem Wasser und waren so wunderschön anzuschauen, dass sie immer wieder den Blick auf sich zogen.
Um sie rankt sich eine märchenhafte Sage - der mächtige Trollkönig Sulitjelmakongen, Vater von sieben wilden, ungestümen Töchtern, schickte diese zur tugendhaften Jungfrau Lekamøya, um sie zu zügeln. Als die Mädchen eines Morgens zusammen mit Lekamøya von Hestemannen, dem ungehorsamen Sohn von Vågekallen, einem Trollkönig am anderen Ende des Vestfjords, beim Baden beobachtet wurden, verliebte sich dieser sofort in die ehrbare Jungfrau. Um Mitternacht bestieg er in voller Rüstung sein Pferd, um Lekamøya zu rauben. Sie und die sieben Schwestern flüchteten vor ihm, mussten aber, außer Lekamøya, auf halbem Weg aufgeben. Lekamøya vergrößerte ihren Vorsprung zum wilden Königssohn. Dieser jedoch griff zu Pfeil und Bogen und zielte auf die fliehende Jungfrau. Dies wiederum beobachtete der König der Sømnaberge und warf seinen Hut direkt in die Pfeilbahn.
Als nur wenig später die ersten Sonnenstrahlen am Horizont erschienen, versteinerten alle auf der Stelle. Die sieben Schwestern bei Sandnessjøen, der durchschossene Hut als Berg Torghatten und die Jungfrau Lekamøya auf der Insel Leka, auf der sie Schutz gesucht hatte.
Nach überstandenem Fähr-Marathon endlich auf der Insel Herøy angekommen, erreichten wir in nur wenigen Minuten die kleine Insel Ytre Øksningan auf dem Landweg...um 17h. Kinder noch wach. Unfassbar.
Zusammen wanderten wir über teils abenteuerliche, steile Matschwege auf den Gipfel des kleinen Bergs Stortuva. Mutterseelenallein. Von dort oben ein atemberaubender Blick auf die sieben Schwestern und die gesamte Felsen- und Schärenlandschaft darum. Unbeschreiblich.










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27.8.2021
Herzensbrecher
Die letzte Nacht an der Marina auf Seløya, Nachbarinsel Herøys, war die wohl bisher ruhigste. Außer ein paar laustarken Möwen gegen 5h war es mucksmäuschenstill. Hach...
Bevor wir uns auf den Weg zur nächsten Fähre machten (Es fährt sich ein. Ha ha...), statteten wir dem Ministrand direkt am Nachtlager einen Besuch ab. Den teuren Atlantikpark in Ålesund hätten wir uns sparen können - von Seesternen über Anemonen, Einsiedlerkrebsen und diversen Schnecken und Muscheln war eigentlich alles dabei. Die Menge an Meerestieren hätte für mindestens eine Pizza frutti di mare ausgereicht. Partysize.
Die erste Fähre brachte uns in kurzen 20 Minuten von Donna (nein, nicht Madonna. Die sitzt irgendwo in den Staaten und lässt sich die Augenlider noch höher tackern...) nach Sandnessjœn.
Dort angekommen weinte mein Veggie-Herz bittere Tränen... mussten doch im nächsten Supermarkt unbedingt noch diese labbelig-wabbelig-weichen Würstchen eingekauft werden, die einen Tag zuvor auf der Fähre angepriesen wurden. Es sind diese Würstchen, von denen man nicht weiß, was eigentlich genau in ihnen steckt. Die mit dem gewissen Nichts. Ohne Demeter. Ohne Bio. Ohne alles. Die ihr Dasein zu 10 in einer eingeschweißten Plastikfolie fristen, bis sie jemand fr...äh isst. Die mit einem ebenso matschigen Hotdog-Brötchen nahezu inhaliert werden, da sie mit dem pampigen Mäntelchen gerade einmal 23g wiegen. Alle zusammen. Die Kinder waren glücklich. Monsieur auch. Irgendwie.
Aufgepeppelt wurde das geschundene Veggie-Herz durch die weiterhin traumschöne Landschaft entlang des Helgelandskrystikveien. Und der formvollendeten Helgelandsbrua beispielsweise.
Auch sonst fuhren wir äußerst entspannt - es ist Mähzeit in Norwegen und nach gefühlt jeder Kurve wurde ein noch tollererer Traktor mit Mähwerk präsentiert. Besser als jedes Erntemaschinen-Video auf youtube. Da flogen die kindlichen Hände zu La-ola-Wellen in die Luft. Gepaart mit lautem Gegröhle und Gejauchze.
Aber dann - zunächst lange Gesichter vor der nächsten Fähre von Levang nach Nesna. 1 geschlagene Stunde Wartezeit. Aber - wir fahren nicht umsonst ein rollendes Heim, nicht wahr? Da wurde schnell noch eine zweite Ladung Wabbel-Würstchen (uaaaahhh) im Wasserbad erwärmt, Monsieur kümmerte sich um die weitere Reiseplanung, Madame frönte dem Texten und die Kinder vergnügten sich mit Feuerwehreinhörern. Und Würstchen.
Zum Abendessen gab es dann am Fjord-Parkplatz in Flostrand Petterson und Findus' Sommersuppe. Mit Kartoffeln und Karotten. Ohne Würstchen. Die waren schon leer...






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28.8.2021
Klimawandel
Heute morgen strengten wir uns mal so richtig an...die Fähre von Kilboghamn nach Rødøy um 10h30 mussten wir nämlich unbedingt erreichen. Fährt sie doch nur 2 mal täglich. Dann aber eine gute Stunde...
Als Google Maps plötzlich von 30 auf 39min Fahrtzeit umsprang, schwante uns Böses...geschätzte Ankunftszeit am Kai um genau 10h29! Nach überstandener Baustelle schnellte die Uhr aber wieder nach unten. Ankunft um 10h16. Tschakka!
Das Gänsehautgefühl nach etwa 30 Minuten gab's gratis dazu...wir überquerten den nördlichen Polarkreis. Alle an Bord ganz aus dem Häuschen. So ca. 7 weitere Passagiere.
Mehr nicht. Sonst schon. Corona und Nebensaison. Das spielt uns gerade richtig in die Karten.
Madame hatte schon sämtliche Winterjacken, Schals und Mützen parat. Immerhin befanden wir uns jetzt im hohen Norden. So Weihnachtsmann-Norden hoch. Die winterlichen Kleidungsstücke hatten wir für genau 0,1 Sekunden am Leib. Hier ist es nämlich gerade wärmer als manch pfälzischer Pseudo-Sommertag.
Bei strahlendem Sonnenscheinchen schwangen wir uns nach kurzer Autofahrt auf die nächste Fähre von Ågskardet nach Forøy...um nur kurze Zeit später wieder auf dem Wasser zu tuckern. Und täglich grüßt das Murmeltier!
Dieses Schiffchen schipperte uns an den Fuß eines nahe gelegenen Gletschers, dem Svartisen. Mit 370km² (!) der zweitgrößte Gletscher Norwegens.
Und wir waren faul. So richtig faul. Und versuchten erst gar nicht, uns der Gletscherzunge, dem Engabreen, noch weiter zu nähern. Unser Ziel war der glasklare, türkisfarbene Bergsee weit davor. Wie praktisch, dass es dort die schnuckelige Brestua-Hütte mit Bewirtung gab. Und? Klar. Waffeln und Zimtschnecken...
Je näher wir dem Nordkap kommen, desto wärmer wird es. Wir schwitzen. Der Klimawandel lässt grüßen. Mit reifen Preiselbeeren (jaaaa, Madame musste sammeln. Der Rest auch. Sie wurden nicht dazu gezwungen!) und kilometerlangen To-go-Himbeersträuchern (nur ohne blöden Plastikbecher) und Pilze!! Unglaublich, wie viele Steinpilze uns direkt vor die Füße fielen...
Da hatte Mutter Natur wohl ein Einsehen mit den horrenden Lebensmittel-Ausgaben und schenkte uns heute einen wichtigen Bestandteil des Abendessens - Pilz-Risotto.
So langsam kommen wir uns vor wie Foodblogger, nur dass wir das Essen nicht 2 Stunden mit einer Pinzette arrangieren und danach mit Klarlack besprühen, damit es schöner glänzt. Risotto kam uns da ganz gelegen - zack auf den Teller geklatscht und fertig.
Es schmeckte wirklich köstlich. Bis...ja bis zu dem Moment, als Monsieur herausfand, dass es sich bei den meisten Exemplaren nicht um Stein-, sondern um Birkenpilze handelte. Stimmt...die standen fast alle unter Birken. Hmmm. Madame sah sich in Gedanken bereits den norwegischen Giftnotruf kontaktieren (gibt's hier so etwas überhaupt?) als nach einer gefühlten Ewigkeit die erlösenden Worte "beliebter Speisepilz" fielen. Himmel!







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29.08.2021
Stilles Örtchen
An dieser Stelle könnte ich jetzt schreiben, dass Madame eine schlaflose Nacht hatte...Übelkeit. So richtig fiese. Zahnarztbohrerfiese. Ohne Spritze. Gegen 1h hektisches Aufsuchen des stillens Örtchens - den Rest kann man sich denken... Diese Pilze! Und nein...wir haben die gefundenen Fliegenpilze nicht versehentlich mitgekocht. Denn der restliche Clan blieb trotz nicht unerheblichen Verzehrs der Schwammerl völlig unbeeindruckt.
Vielleicht war es aber auch die Kombination mit dem Orangensaft, den es zur kindlichen Freude zum vermaledeiten Abendessen auf einem einfachen Parkplatz am Glomfjord gab. PUR. Bedingt durch Wasserknappheit. Und das in Norwegen.
Madame war vor einiger Zeit davon überzeugt, wie sehr man momentan sparen würde. Weg von zuhause und Amazon, Ebay und H&M. Bis sie Monsieur auf den Boden der Tatsachen zurückholte als er sie daran erinnerte, dass man täglich Campingplatzgebühren zahle. So durchschnittlich gute 250€ pro Woche. Mist. Man beschloss also, vermehrt Kröten zu sparen, indem man nicht auf teuren Campingplätzen, sondern auf kostenfreien Parkplätzen nächtigte. Strom dank spezieller Batterie und Solar auf dem Dach null Problemo. Frischwasser? Meist Fehlanzeige. Nach spätestens 3 solcher Nächte (die wir just gestern erreicht hatten) wird das Trinkwasser knapp. Sehr knapp. Soll heißen - nur noch maximal 83,6ml Wasser pro Person zum Trinken, Toilettengänge (außer Notfälle. Wie gestern.) unbedingt vermeiden, zum Essen nur kalte Brotzeiten ohne Kochwasser-Verschwendung und (leider) kein Abspülen mehr. Und was macht man mit den Geschirrbergen, die sich ansammeln? Stapeln! In immer schwindelerregenderen Höhen schrauben sich die Türme aus Tellern, Tassen, Bechern, Töpfen und Pfannen. Eine Kunst für sich. Aber - gut gestapelt ist halb gespült! Als optimaler Ort für besagte Stapelei hat sich die Dusche herausgestellt.
Unser Allround-Talent. Sie wird benutzt, um die Gitarre zu verstauen, ebenso unsere Kindersitze (selbstverständlich auch gestapelt), das Geschirr und den Kinderhocker fürs Bad. Nur geduscht wird nicht. Wir hätten die Dusche besser ausbauen und einen Schrank einbauen lassen...
Auf Einbau eines Turbos hatten wir heute mal komplett verzichtet. Es war einer dieser Tage..lazy, bequem, so richtig gediegen. Madame erholte sich von ihrem Puddingbauch (dem innerlichen, äußerlich geht der Pudding garantiert nicht mehr weg!), die Kinder kickten den Fußball hin und her und Monsieur ging zum Friseur - auf dem Parkplatz. Madame spielte Edward mit den Scherenhänden und war mächtig stolz, die noch vorhandene Matte des Gatten ohne Schnittwunden erfolgreich gestutzt zu haben. Von großen Ausflügen oder Sightseeing war heute also nicht die Rede. Es sei denn, man ordnet die schönste Toilette der Welt als Sehenswürdigkeit ein! Stilles Örtchen im futuristischem Design mit Meerblick.
Nach kurzen 45 Minuten erreichten wir schon den neuen Platz. Nigelnagelneu. Vor 3 Monaten eröffnet. - 38€, aber inklusive Strom, Waschmaschine, Trockner, Duschen und Frischwasser. Wir wuschen die Wäsche. Und uns. Sehr nötig. Von dem Mix aus betoniertem Platz und Kunstrasenplatten und den düsenjetlauten Handtrocknern in den stillen Örtchen (Hörsturz konnte nur durch fluchartiges Verlassen eben jener verhindert werden) sahen wir wohlwollend ab.
Trotz mittlerweile trübem Wetterchen wurde am nahegelegenen Strand noch ordentlich gewerkelt - ein Prinzessinnen-Einhorn-Schloss (was sonst) und Wassergräben mit Staustufen...
Und einmal mehr wurde einem klar, was Kinder wirklich brauchen - es sind keine Tonieboxen, Tip Toi Bücher und TV.
Es ist die Zeit ihrer Eltern.



