
Sanna, Peter, Oskar & Ida
Heidweiler
Sommer/Herbst 2021
Skandinavien
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6.09.2021
Tag der Entscheidung
Die erste Aktion eines jeden Tages - sämtliche Rollos und Jalousien hochfahren und...Scheiben wischen. Von innen.
Denn das Wasser, das sich da nachts auf den Fenstern sammelt, entspricht in etwa dem des Drei Schluchten Staudamms am Jangste.
Bewaffnet mit schnöden Putzlappen fühlen wir uns wie im Kampf gegen Golliath. Wir bräuchten eine Superwaffe. Einen Superabsorber oder so. Den hätten wir ja eigentlich an Bord. Mit der Saugkraft einer Windel wären den Fluten bestimmt innerhalb kürzester Zeit den Garaus zu machen.
Wirklich viel können wir aber nach der Sauber-wisch-und-weg-Aktion trotzdem nicht sehen. Regen, Regen, Regen. Und Nebel. Und kein Ende in Sicht.
Seit einer Woche haben wir keinen einzigen Sonnenstrahl mehr gesehen und der Tag der Entscheidung ist gekommen - wir verlassen schweren Herzens die Lofoten und ziehen weiter in noch nördlichere Breiten.
Gemäß der alten pfälzischen Binsenweisheit - ist das Wetter im Norden zum Scheißen, musst du weiter gen Norden reisen.
Und dennoch. Trotz miserablem Wetter und wenig möglichen Aktivitäten würde es à la ESC abschließend heißen - Lofoten, 12 Points!
Wir können nur erahnen wie wundervollerererererer es nochmals gewesen wäre, wenn das Wetterchen sich von einer sonnigeren Seite gezeigt hätte.
Aber - heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage!
Bei diesem Wetter bestand das Tages-Highlight in einem Besuch des örtlichen Einkaufszentrums mit elternmelkendem (weil sogar ein Kartengerät am Spielzeug vorhanden!) grell blinkenden Hubschrauber. Noch schlimmer das U-Boot-Pendant mit Platz für 2 auf den Bildschirm starrende Kinder. Nichts für Epileptiker.
Nach einer gefühlten Ewigkeit gelang den Eltern der Absprung.
Von Svolvær aus schlängelten wir uns durch den Regenvorhang entlang des Nebelgebirges und machten einen ersten Halt irgendwo im Nirgendwo. An einem kleinen Strand. Mit drölfzillionen Muscheln und Schnecken. Wir konnten es wieder nicht lassen und sammelten hockend und pulend tütenweise die wunderschönen, perlmuttbesetzten Schnörkel ein. Am Ende unserer Reise werden wir 2t Übergewicht haben...
Auf der einzigen Hauptverkehrsstraße, einspurig und so breit wie unsere Landstraßen, fuhren wir in die Nacht hinein. Bei strömendem Regen. Und glücklicherweise kaum Gegenverkehr (so alle 10 Minuten ein PKW).
Am Ende des heutigen Tages landeten wir gegen 23h mit zwei schlafenden Kindern (die Jüngste hatte es gegen 22h15 dann auch mal geschafft) wieder im Nirgendwo - mitten in einem Birkenwald schlugen wir unser Nachtlager auf. Bei strömendem Regen.
Sommer ist was in deinem Kopf passiert...




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7.9.2021
Wo sich Elch und Hirsch gute Nacht sagen
Über Nacht schien es Herbst geworden zu sein...oder auch Winter. Denn nicht nur die Birken um uns herum empfingen uns mit zartem Gelb und leuchtendem Orange. Auch die höchsten Gipfel waren über Nacht mit Neuschnee gepudert worden. Anfang September.
Bei Dauerregen verließen wir das Birkenwäldchen und fuhren zu Eva Cassidys "Autumn leaves" (vielleicht war es aber auch "Der Herbst ist da" von Simone Sommerland...manchmal geht Madames Fantasie mit ihr durch) durch den Herbst zu unserem ersten Halt nur gute 30 Minuten entfernt. Leider wieder in südlicher Richtung. Waren wir doch am Abend zuvor zu weit gefahren. Was aber nicht an den geografischen Fähigkeiten unserer Wenigkeit lag, sondern schlichtweg daran, dass wir erst am Morgen mal wieder in den Reiseführer geschaut hatten. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
Lesen konnten die Protagonisten unserer ersten Station keineswegs, das mussten sie aber auch nicht. Hauptsache, sie kamen aus ihren Verstecken, damit wir sie bestaunen konnten!
Auf dem Programm - der Besuch im Polarpark in Bardu. Im arctic wildlife center sollte es für 99€ Polarfüchse, Wölfe, Hirsche, Luchse, Vielfraße, Moschusochsen, Bären, Elche und Rentiere zu sehen geben.
Gesehen haben wir dann erstmal nichts. Außer riesigen Gehegen, die so groß waren, dass man zur Umrundung gute 10 Minuten brauchte. Dieser Park war wunderschön - völlig belassen in seiner ursprünglichen Natur, um den Tieren einen möglichst authentischen Lebensraum zu bieten. Es sah so aus, als hätte man in diesem großen Areal einfach nur noch 4-5 Meter hohe Schutzzäune errichtet.
Die Krux an den riesigen Gehegen - die Tiere hatten (zum Glück!) mehr als genug Platz, unterzutauchen und sich den neugierigen Menschenblicken zu entziehen.
In der ersten halben Stunde sahen wir außer Regen rein gar nichts...nach 10 Minuten wünschte sich das erste Kind das Wohnmobil herbei. Aber für 99€ sucht man bis zum St. Nimmerleinstag nach den Vierbeinern. Unsere Geduld machte sich am Ende dann aber mehr als bezahlt - 3 Polarfüchse (das graue Fell bereits weiß meliert), eine Horde Bären, einige Moschusochsen, 2 Luchse und 3 Elche (den Vielfraß sah nur Monsieur...angeblich).
Gerade die Elche waren unheimlich imposant. Geradezu majestätisch standen sie da und blickten uns mit treuen, warmherzigen Augen an. Gänsehaut gab's auch hier gratis dazu.
Der Regen trug uns danach weiter Richtung Norden. Direkt an der E6 eine längere Rast, um die kindlichen Nerven zu beruhigen. Und die der Eltern.
Zeit, um Wichtiges zu erledigen im wäschewimpelbehangenen Wohnmobil - Telefonate mit den Lieben daheim. Wie schööön...schnief.








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8.9.2021
Rezept für einen One-Pot-Herbst
(für 4 Personen)
* 3 Esslöffel Nebel
* 1 Prise Neuschnee
* 2 kg tiefhängende Wolken
* 6 Liter Dauerregen
* 1 Messerspitze böiger Wind
* 450g buntes Herbstlaub (vorzugsweise Gelb und Orange)
* 1 Hauptverkehrsstraße (E6, falls man sie bekommt...alternativ eine deutsche Landstraße)
* 1 Fähre (35 Minuten von Lyngseidet nach Olderdalen)
* 221km nach Alta
* 1 ganzer Kabeljau, frisch (keine TK-Ware!)
* kindliche Grimassen nach Belieben
Zubereitung
Einen Topf erhitzen. Den Nebel darin heiß werden lassen, 2 kg tiefhängende Wolken und die Prise Neuschnee ca. 1-2 Minuten anschwitzen, damit sich die Aromen besser entfalten. Den Wind und das bunte Herbstlaub dazugeben und weitere 2 Minuten anschwitzen. Mit 6 Liter Dauerregen aufgießen und 25 Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen. Anschließend die Fähre, die Hauptverkehrsstraße und den Kabeljau in mundgerechte Stücke sowie die 221km in feine Streifen schneiden und kurz mitziehen lassen.
Zum Schluss den One-Pot-Herbst mit ordentlich kindlichen Grimassen abschmecken.
Guten Appetit!




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9.9.2021
Ey, Alta
Wir schmunzeln bisweilen über norwegische Wortkreationen und irrsinnige Übersetzungsfehler. Dieses nette Übersetzungsprogramm von Google mit direkter Kamera-Erkennung erfreut sich bei uns immer größerer Beliebtheit. Da werden uns als Aktivtour einfach mal "Scheisse" angeboten, in das Rezept für Miniomelett kommen "echter Fuchs" und "Lichtkäse" (aber der proteinreiche!). Im Supermarkt schmunzeln wir über Hurtigreis, Asterix Kartoffeln, Superhelt Brot oder das Spitzbergen-Pendant (wieviel Spitzbergenanteil drin ist, konnten wir bisher nicht ermitteln). Das spitzige Brot (Svalbardbrød) fand dann neben der Betasuppe postwendend den Weg in den Einkaufswagen. Wobei auf der Suppen-Geschmacksskala noch deutlich Platz nach oben war. Was soll man aber auch erwarten bei der Betaversion.
Von Madame war heute nur eine schlechte Alphaversion zu erwarten. Nachts wurde sie von Migräne heimgesucht. Wirklich schade, dass es zum Aufwachzeitpunkt gegen 5h schon zu spät für diese traumschönen Tryptane vom netten Neurologen war. Gängige Schmerzmittel helfen da nämlich ungefähr so viel wie ein Pflaster nach einem Jagdunfall. Also Augen zu und durch. Noch besser - alle 4 Buchstaben zusammenpetzen. Denn die Augen hatte Madame heute dringend gebraucht.
Nach einem klitzekleinen 10-Minuten Katzensprung war man bereits in Alta angekommen.
Erster Programmpunkt des heutigen Tages - Besuch der örtlichen Museumsperle mit ca. 7000 Jahre alten Felsritzungen...manche zum besseren Erkennen ausgemalt, viele aber auch naturbelassen, sodass sogar die Kinder Spaß beim Suchen hatten. Ein wunderschönes archäologisches Freiluftmuseum inmitten wundervoller Natur und traumhaftem Ausblick auf den Altafjord. Wie so oft fügten sich auch hier verbaute Holzkonstruktionen völlig harmonisch in die Umgebung aus Stein, Moosen, Flechten, Birken und Sträuchern ein. Äußerst gelungen und zu Recht Weltkulturerbe der Unesco.
Ebenfalls auch sehr gelungen die Nordlichtkathedrale im Zentrum - zumindest von außen, weil bereits geschlossen. Man sollte sich nicht immer auf google verlassen...
Auf der Weiterfahrt zur nächsten Station passierten wir einmal mehr unfassbare Landschaften, die so ganz anders waren als die im Süden des Landes - zusehends karg. Und Weite, unendliche Weite. Bis zum Horizont. Und noch weiter. Die Farben so prächtig wie der Herbst, gepaart mit glasklaren, strahlend blauen Bergseen. Und tatsächlich - sie kamen. Rentiere! Im Vorfeld lachten wir herzhaft über jeden Hinweis auf die freilaufenden Tiere. Ja klar! Heute wurden wir eines Besseren belehrt. Ganze Herden grasten da neben und auf der Straße. In Seelenruhe. Unglaublich! Immerhin gelang uns auf die Schnelle noch der ein oder andere Schnappschuss bevor uns ein Mob aus aufgebrachten Verkehrsteilnehmern aufs Dach stieg. Die Norweger hier oben sehen wohl am laufenden Band die weihnachtlichen Tierchen.
Gelandet sind wir am Ende des Tages in Hammerfest (so groß wie unser "Herxe"). Bis vor gut 20 Jahren die nördlichste Stadt der Welt bis ihr das knapp 200 km weiter nördlich gelegene Honningsvåg den Rang streitig machte (mit gerade einmal 2500 Einwohnern).
Klein, aber oho.
Das gilt also nicht nur für Madame.

















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10.9.2021
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Glücksfälle
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Unser Vokalensemble Vocatello probt. Wir holen gerade Luft zum nächsten Einsatz für "What the world needs now". Just in diesem Moment - Tritte in die Seite. Erst denkt Madame an ihre Soprankollegin und einen falschen Ton der eigenen Wenigkeit, aber die Tritte halten unvermindert an. Als sodann der Chor verschwindet und Madame langsam die Augen öffnet, merkt sie, dass es die Beine der quer liegenden Minimadame sind, die unaufhörlich ihren mütterlichen Körper traktieren. Minimadame sah in etwa aus wie eines dieser roten Riesenkänguruhs, das sich im australischen Outback einen Kampf mit einem Artgenossen liefert.
Kämpfe stehen bei Minimadame gerade grundsätzlich hoch im Kurs - vor allem, wenn es ums Einschlafen geht. Die Bayreuther Festspiele sind längentechnisch ein Klacks gegen den abendlichen Kampf um die Reise ins Träumeland. Nach fast 7 Wochen Kinder-Dauer-Präsenz sind die Geduldsvorräte, sagen wir mal, etwas geschwunden (so wie bei manchen der Nutella-Vorrat nach überstandenem Liebeskummer).
Es verwundert also nicht wirklich, wenn nach täglichen Wutanfällen (wegen eines nicht korrekt eingefüllten Müslis in die Frühstücksschüssel, das fehlerhaft positionierte Mützchen beim eigenen Anziehen oder wenn anstatt 1001 nur 1000 Geschichten vor dem Einschlafen vorgelesen werden) Madame am liebsten Scheiße kreische kinnt. Um im nächsten Moment vor Freude zu weinen - wenn Minimadame mitten im Einschlafkampf völlig unvermittelt sagt "Mama, ich hab dich lieb. Du bist mein bester Freund". So ist das eben mit Kindern. Sie machen uns verrückt, meistens vor Glück.
Glück im Unglück hatten wir auch an diesem Morgen in Hammerfest.
Alle (Monsieur besonders) freuten sich auf das Eisbären-Museum. Für 22€ wurde man sogar in "The Royal and Ancient Polar Bear Society" aufgenommen und erhielt unter anderem eine silberne Eisbären-Nadel (das sind solche Dinger, die kein Mensch braucht, aber jeder haben will). Zu unser aller Leidwesen war besagtes Eisbärenzentrum gerade diese Woche vorübergehend geschlossen (wahrscheinlich ein Betriebsausflug in die Südsee). Große Enttäuschung! Aber nicht lange. Denn nur 3 Meter weiter legte gerade glücklicherweise ein Schiff der Hurtigruten-Flotte an. Was eine Live-Show. Vor allem für die kleinsten Heidis. Gabelstapler brachten Waren an und von Bord der Nordnorge, riesige Klappen wurden ausgefahren, um später hunderte von Touristen an Land zu bugsieren.
Wir bugsierten uns nach dem Kreuzfahrtschiff-Spektakel zu Fuß noch zur örtlichen Kirche und bestaunten den außergewöhnlichen Bau. Unzählige Städte in Norwegen haben deshalb so ein modernes und junges Erscheinungsbild, weil sie im 2.Weltkrieg als strategisch wichtige Versorgungshäfen von der deutschen Kriegsmarine besetzt, kurz vor dem Kriegsende zwangsevakuiert und anschließend dem Erdboden gleichgemacht wurden, um den anrückenden sowjetischen Truppen keine funktionierende Infrastruktur zu hinterlassen. So blieb in Hammerfest als einziges Gebäude nur die Grabkapelle stehen. Und auch in diesem Land holt uns die Vergangenheit in so schmerzhafter Weise ein...
Umso glücklicher sind wir zu sehen, wie freundlich und offen uns alle Norweger begegnen und zumindest augenscheinlich keine Ressentiments mehr bestehen.
Nach diesem ereignisreichen Tag gönnten wir uns ein kurzes Streckchen bis zum Olderfjord. Mal wieder auf einem Campingplatz. Zum Waschen. Duschen. Und Spülen!


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11.9.2021
Am Ende der Welt
Wir haben es geschafft!
Exakt 7 Wochen nach dem Start und 5700 km um 14h06 - Ankunft am Nordkap.
Die Kinder sind mittlerweile Fahr-Profis, da war die heutige Strecke von 2 Stunden ab dem Olderfjord ein Hasenpups...könnte aber auch an den Süßigkeiten gelegen haben, die noch schnell auf dem Weg zum Kap in Honningsvåg über das Kassenband gezogen wurden.
Die Fahrt raus bis zum nördlichsten Punkt Europas, der auf dem Straßenweg erreicht werden kann, zog sich durch eine einzige öde, karge Landschaft, deren Reiz aber gerade in ihrer vermeintlichen Eintönigkeit lag.
Felsiges, nur niedrig bewachsenes Gelände so weit das Auge reichte. Hier und da Rentierherden - in ihrer Anmut und dem friedvollen Antlitz so wunderschön anzuschauen, dass man am liebsten eins für zu Hause eingepackt hätte.
Erst seit 1999 ist das Nordkap, das auf der vorgelagerten Insel Magerøya liegt, mit dem Festland durch den Nordkaptunnelen (6870m) verbunden.
Glück hat, wer außerhalb der Hauptsaison unterwegs ist, denn der hat im Gegensatz zum herrschenden Massentourismus im Sommer kaum Verkehr und die Chance auf einen der begehrten Plätze auf dem teuersten Parkplatz der Welt. Pro Person schlappe 26€. Macht nach Adam Riese bei 2 Zahlenden (die Kinder waren tatsächlich noch frei) exakt 52,05€ (gemessen am heutigen Wechselkurs).
Dafür hatte man Zugang zur Nordkap-Halle - hört hört - mit Restaurant und riesigem Souvenirshop. Eine feine Sache, wenn man noch mehr Geld ausgeben möchte. Immerhin gab's die übergroßen Trolle im Eingangsbereich gratis zum Knutschen dazu.
Draußen am großen Globus. Kein Andrang. Keine Menschenschlangen wie vor 7 Jahren in den Flitterwochen. Aber genauso ergriffen. Zumindest Madame. Der Weg ist das Ziel, ja. Aber dann anzukommen an diesem Punkt. Am nördlichen Ende der Welt. Unbezahlbar.









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12.9.2021
Ab in den Süden
Das Leben in einem Wohnmobil kann durchaus sehr gefährlich sein. Immer dann, wenn die Kinder während der Fahrt plötzlich Hunger bekommen und sofort Nahrung benötigen. Also nicht erst am nächsten Rastplatz, sondern jetzt, unverzüglich und auf der Stelle. Am besten schon 5 Minuten bevor sie überhaupt das kleinste Hüngerchen verspüren. Madame sollte dringend eine überteuerte Fortbildung zur kindlichen Hunger-Hellseherin machen, um nach bestandener Prüfung folgende Szenen vermeiden zu können - nach den immer lauter werdenden Schreien und dem drohenden Tobsuchtsanfall, schnallt sich Madame leicht widerwillig ab und kämpft sich bei voller Fahrt wie Rambo nach hinten durch den Wohnmobil-Dschungel. Vorbei an Jacken, Mützen, auf dem Boden liegenden Büchern, Schuhen und Muschel-Popo-Einhörnern (ja, es gibt sie immer noch). Bewaffnet mit Sparschäler und Messer beschafft sie sich unter Einsatz ihres Lebens Äpfel, Kekse, Müsli und Knabbersachen. Jederzeit bereit, mit leicht angewinkelten Knien die Schlaglöcher auszugleichen oder sich im letzten Moment mit aller Kraft am Kühlschrankgriff, an Wandhaken oder dem Bett festzukrallen, falls Monsieur unerwartet in die nächste Serpentine fährt. So richtig brenzlig wird es dann aber erst, wenn sich Madame aufgrund ihrer Zwergengröße im Schleudergang den Hocker aus der Dusche (der Stapel-Joker) fischen muss, um damit das gewünschte Brot aus dem Fach über dem Kühlschrank angeln zu können.
Mittlerweile ist sie aber so geübt im Essen-während-der-Fahrt-zubereiten, dass es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit ist, bis das 5-Gang Candle-Light-Dinner pünktlich zur Ankunft am Zielort dampfend und duftend auf dem Tisch steht. Mit gefalteten Servietten in Seerosenform. Versteht sich von selbst.
Seerosen gab es heute nicht zu sehen, dafür aber Rentiere. In Herden zu Hunderten säumten sie die Straße wieder zurück nach Süden, denn das Nordkap ist bekanntlich eine Sackgasse. Zumindest auf dem Straßenweg.
Der erste Halt nur gute 10 Minuten entfernt. Eine mit gut 2 km Länge die perfekte Kinderwanderung in der Nähe des nördlichsten Fischerdorfs der Welt Skarsvåg. Ein kurzer, aber wunderschöner Ausflug über leichte Hügel bis zum Kirkeporten - eine besondere Felsformation, dessen Mitte eine Art Portal beherbergt und durch eben jenes den Blick auf das dahinterliegende Nordkaphorn freigibt. An die schmalen Wege entlang der Steilklippen wird sich Madame wohl nie gewöhnen.
Gewöhnungsbedürftig sind auch so manche Straßen im hohen Norden - kaum Verkehr, kaum gepflegt. Wir fuhren abermals durch abenteuerliche Tunnel, mit Funzelbeleuchtung, Tempo 30 und nur notdürftig gesicherter Baustelle im Tunnel selbst. Nach diesem Trip muss das Wohnmobil ersteinmal generalüberholt werden...
Überholt hat uns dann auf der gut 3 stündigen Weiterfahrt keiner. Kurz vor Lakselv (Verwaltungszentrum der Kommune Porsanger mit immerhin 2195 Einwohnern) ergatterten wir einen wunderschönen Wildplatz (Guerilla Camping) zwischen Birken direkt am Fjord. Ohne Fisch, aber Aussicht zum Niederknien.












