
Sanna, Peter, Oskar & Ida
Heidweiler
Sommer/Herbst 2021
Skandinavien
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27.9.2021
Back to the roots
Wir sind nicht nur back to good old germany, sondern generell ja eher back to the roots unterwegs. Ohne Spül- und Waschmaschine, ohne Backofen und Mikrowelle, warmes Wasser nur mit Wartezeit, das Nötigste auf engstem Raum platzsparend untergebracht. Seit einiger Zeit ist auch das Duschen zur Mangelware geworden. Hüstel. Das erledigt aber auch gut Fräulein Seife und der Herr Waschlappen. Nur die Haare leiden etwas...viel. Sehr viel. Zum Glück gibt's diese hervorragenden Knotenstirnbänder - einmal aufgezogen, sind alle fettigen Haare wie von Zauberhand verschwunden. Das ist bessere Magie als jede Nummer von David Copperfield. Madame trägt die Wundertücher mittlerweile auch drinnen. So schlimm steht es um die Haarpracht (oder das, was davon übrig geblieben ist..). Denn der letze Campingplatz-Besuch ist tatsächlich schon eine ganze Woche her. Hier in Finnland ist es besonders praktisch, dass man an vielen Tankstellen Frischwasser zapfen und die Chemietoilette entsorgen kann. Sogar kostenlos. Durch das wilde Campen fühlt man sich gleich noch "wurzeliger".
Zurück zu den Wurzeln wanderten wir heute ein weiteres Mal im riesigen Koli Nationalpark - fast hatte man das Gefühl, einen Spaziergang im wunderschönen pfälzer Wald zu machen. Zwischen Nädelbäumen, allerlei Pilzen, Moosen und riesigen Ameisenhaufen. Hier gab's gratis das obligatorische Feuerchen noch mit dazu. Ebenso wie der Einblick in ein Gehöft aus insgesamt 4 erhaltenen Bauernhäusern aus dem 17. Jahrhundert. Unser Wohnmobil ist vielleicht klein, aber im Gegensatz zu damals mit ganz viel Luxus ausstaffiert.
Das Nachtlager schlugen wir auch heute wieder in der "Wildnis" auf - über einen unbeschränkten Bahnübergang (der ganz schön in Betrieb war!) erreichten wir unseren Platz, direkt am See (natürlich) mit kleinem Strand. So friedlich. So still. So schön.









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28.9.2021
Kinderwunderland
Was wir heute in Juensuu im Mukulakato Kindermuseum geboten bekamen, war mit 12€ für die ganze Familie nicht nur ein richtiges Schnäppchen, sondern ein unglaublicher Hauptgewinn. Der Jackpot in der Kinderparadies-Lotterie mit 6 Richtigen und der Superzahl!
Wir hatten erst eine Stunde zuvor dieses Museum im world wide web aufgetan und ihm mehr als spontan einen Besuch abgestattet.
Und hier gab es alles, wirklich alles, was das Kinderherz (und auch ein bisschen das der Erwachsenen) begehrte.
Einer kleinen Stadt nachempfunden war dieses Kinderwunderland - die "Hauptstraße" bot Holzhäuschen mit Kaufmannsladen, Küche und kleinen Guck-Fenstern, einen ganzen Hafen samt Piratenschiff, ein Kasperltheater, einen Bastel-, Lese- und Kostümbereich. Die Kinder durften ihrer Spielfreude und Fantasie freien Lauf lassen, konnten das Schiff über Flaschenzüge mit Waren beladen, durften Lebensmittel verkaufen, kochen, die Stofftiere in Puppenwagen spazieren fahren, konnten als Briefträger Post in die Briefkästen der Häuser verteilen oder in einer kleinen versteckten Bücherei schmökern. Im Speisewagen der Holzdampflokomotive durfte das eigens mitgebrachte Essen verputzt werden.
Hinter jedem Fenster, hinter jeder Tür wartete ein neues Geheimnis nur darauf entdeckt zu werden. Dieses Wunderland war bis ins kleinste Detail liebevollst gestaltet. Ein bisschen Retro. Ein bisschen Vintage. Ein bisschen Nostalgie. Ein bisschen Bullerbü. Ein bisschen Villa Kunterbunt. Ein bisschen Lönneberga. Und Madame? Die wäre hier am liebsten eingezogen, so wundervoll-fantastisch war dieses besondere Reich (deshalb auch die leicht überdimensionierte Fotoauswahl...scusi). Auch die Kinder genossen ihren Spieltag in allen Zügen. Waren sie heute ja auch die einzigen Kinder in ganz Mukulakato und konnten sich völlig austoben. Prädikat besonders besonders besonders wertvoll! Jeder sollte einmal reisen in dieses wundervoll tolle Kinderwunderland!










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29.9.2021
Ein Tag im Urwald
Der kleine, aber sehr feine Kolovesi Nationalpark lud uns heute ein, auf Expeditionsreise zu gehen. In diesem unberührten Urwald (dieses Wort trifft es wohl am besten) fühlte man sich wie Forscher und Märchenfigur gleichermaßen.
Dieser verwunschene, urige Wald, seit Jahrhunderten in seiner Einzigartigkeit so belassen, empfing uns mit einem weichen Teppich aus Moosen und Flechten, unzähligen Felsen, aus dem Boden herausragenden Wurzeln (laut Ida Mäusebrücken) auf dem schmalen Gehpfad, Blau- und Preiselbeeren soweit das Auge reichte, Farne, einer Vielzahl an entwurzelten und umgestürzten knorrigen Bäumen und einem kleinen Pilzparadies, zumeist Baumpilze in den schönsten Farben. Ein Wald zum Entdecken, Staunen und Innehalten. Alle paar Meter legten wir ein Päuschen ein, um Beeren zu naschen, Jahresringe zu zählen oder die fremdartige Flora genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Bäume bis in den Himmel gewachsen und so knorrig und ungewöhnlich in ihrem Wuchs, dass man dachte, jeden Moment würde sich einer von ihnen umdrehen und sich als Baumbart vorstellen. Dieser Wald strotzte trotz der Verrottung nur so von Lebendigkeit...und Stille. In manchen Momenten war nur das Knacken des morschen Holzes unter unseren Füßen zu hören. Kein einziges Geräusch störte dieses pure Ur-Erlebnis.
Den richtigen Weg musste man sich ebenfalls an vielen Stellen suchen - und wir fanden ihn. An einem See mit Hütte und Grillmöglichkeit - diesmal mit ausreichend Brotteig und anderem Schmackofatz im Gepäck. Das Seensystem in diesem Nationalpark ist übrigens eines der wichtigsten Lebensräume der Saimaa-Ringelrobben - der einzigen Süßwasser-Robbenart weltweit und mit nur ca. 400 Tieren (2018) äußert gefährdet.
Gesehen haben wir keine Robben, dafür aber einen ganz wunderbaren Tag in einem außergwöhnlichen Urwald erlebt. Wie famoos...was auch sonst.










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30.9.2021
Figaro Figaro Figaro
Morgens im Kolovesi Nationalpark. Kein Geräusch trübte die Stille in diesem Urwald. Außer das leise Abziehen der Preiselbeeren vom Stiel - Madame. Hat. Es. Nicht. Geschafft. Wieder einmal. Bei diesen Massen an roten Beerchen musste sie einfach weiterpflücken. Und war vor lauter Begeisterung sogar kurz davor, sich wie Mira Sorvino in American Beauty ein Bad zu genehmigen - ohne Rosenblätter, aber in weichen Flechten und wunderschönen Preiselmassen. Madame muss die georderte Gelierzuckermenge (bestellt beim lieben Herrn Papa in der Heimat) nochmals deutlichst erhöhen! Und warum soll eigentlich der arme Opa die Zuckerpakete jetzt schon schleppen? Jaaaha, Gelierzucker ist Saisonware (der Marmeladenkocher weiß das) und bei unserer Rückkehr vielleicht bereits aus den Regalen der Supermärkte verschwunden. Hat's alles schon gegeben. Und einfach hier beschaffen? Nöhö. Am Schluss kauft man versehentlich 30 kg Pökelsalz. Und das als Vegetarier...Himmel.
Ab sofort wird der Essensvorrat weiter rationiert, weil nun über die Hälfte des Mini-Kühlschranks von Preiselbeeren in Beschlag genommen werden. So viele Marmeladenbrote und gebackenen Camembert kann man gar nicht essen, um jemals die Massen an Preiselbeeren zu verputzen, die in baldiger Zukunft den Keller besetzen werden. Zum heutigen Mittagessen um 15h30 hätten die Beerchen aber schon mal hervorragend gepasst - es gab Salat mit gegrilltem Ziegenkäse. Der so groß war wie Madame selbst. In dem kleinen, aber sehr feinen Hotel Saima in Savonlinna gönnte man sich in einem Bau aus den 30er Jahren ein wirklich leckeres Essen und fühlte sich in das Haus der Großmutter zurückversetzt. Herzallerliebst. Zuvor wandelte man auf ritterlichen Spuren durch das Labyrinth der mittelalterlichen Burg Olavinlinna - hervorragend erhalten, sehr imposant und jährlich Openair-Schauplatz des hiesigen Opern-Festivals. Das hier so beliebt und bekannt ist, dass die Bars und Restaurants Namen tragen wie Sarastro und Don Giovanni. Figaro Figaro Fiiiiigarooo!







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1.10.2021
Yogastunde
Nahe der kleinen Gemeinde Parikkala, nur gute 700 Meter von der russischen Grenze entfernt, hat der autodidaktische Bildhauer Veilo Rönkkönen direkt an der Autobahn ein außergewöhnliches künstlerisches Kleinod erschaffen. Im Skulpturenpark Patsapuisto sind fast 500 Skulpturen zu bestaunen, die in über 40 Jahren Schaffensarbeit, neben dem Vollzeitjob in einer Papierfabrik in Parikkala, entstanden. Kern dieses mystischen Waldes ist die "Yogastunde" - mit 255 starren und doch immens beweglichen Teilnehmern. Kopf, Arme, Beine, ja sogar ganze Körper sind bereits mit Moos bewachsen und bilden einen spannenden Kontrast zu den steinernen Körpern. Einige Yogis, die ausschließlich Selbstporträts des Künstlers zeigen, wurden aufwenig gesäubert und restauriert, um den Unterschied zwischen "Geburt" und nachfolgender Metamorphose aufzuzeigen.
Dennoch soll der Natur auch weiterhin ihren Lauf gelassen werden, denn der Wunsch Rönkkönens war es, dass die Flora eines Tages alle Yogis bedeckt, sie in einen ewigen Schlaf und Frieden versetzt und ihnen letzen Endes die Ruhe schenken solle, die sie sich selbst so sehr wünschten.
Sein letztes Projekt und gleichzeitige Herzensangelegenheit vor seinem Tod 2010 war die Fertigstellung hunderter Kinder, die in verschiedensten Situationen dargestellt sind.
Der Gang durch diesen besonderen Park war eine Mischung aus Begeisterung und Erstaunen, aber auch ein wenig Furcht, denn mit vielen der Skulpturen verband man nicht nur die Attribute bizarr und skurril, sondern auch bedrohlich und aggressiv. Insbesondere die Verarbeitung von echten Zähnen ließ einen innerlich erschaudern. Die Gestalten schienen uns mit ihren Blicken zu verfolgen, denn je nach Betrachtungswinkel veränderte sich auf magische Weise auch die Lage der Pupille. Patsapuisto war ein ganz außergewöhnlicher und beeindruckender Ort, dessen Besuch noch lange in uns nachklingen wird.














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2.10.2021
Hallo Ostsee
Wir haben es geschafft! Am Nachmittag erreichten Monsieur, Madame und die Minimenschen die Ostsee. Unglaublich - gestartet in Oslo an der Nordsee, knappe 10.000 km weiter und fast 10 Wochen später Ankunft in Svartholm an der östlichen Seeschwester. Die Ostsee begrüßte uns mit traumhaftem Wetter und bei einem kleinen Stadtspaziergang durch Hamina konnten wir das erste Mal seit Wochen die Winterjacken von uns werfen. What a feeling! Hamina bestichte durch ein sternförmiges Zentrum und wir fühlten uns fast wie in Karlsruhe. Nur ein bisschen bisschen bisschen kleiner. Nach einer Miniportion Zucker in Form von süßen Teilchen und rosa Baiser (zur Abwechslung mal keine Waffeln...) erreichten wir unseren wirklich wunderschönen Wildplatz direkt an der See. Das war schon ziemlich toll!





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3.10.2021
La dolce vita
Dieses Blogger-Leben kann ganz schön hart sein. Nämlich immer dann, wenn man nicht in den Flow kommt. Nix mit smooth und la dolce vita und so. Schreibblockade. Oder einfach nur wahnsinnig wortwitzmüde, weil seit Ewigkeiten gar nicht mal so gut geschlafen (erkältete Weihnachtsmann-Minimenschen) und deshalb abends keinen Kopf mehr für gar nichts. Der Druck, total witzige, amüsante und kurzweilige Textchen zu verfassen, lastet nach gut 70 Tagen Geschreibsel auf Madame wie der Druck auf ihrer Blase nach 20 Kannen Tee auf einer Nonstop-Busfahrt ins Land, wo der Pfeffer wächst.
Sie kann von Glück reden, dass sie kein Interior-Design-Familien-DIY-Instagram-Pinterest-Facebook-Blog führt - da müssten nicht nur die Texte, sondern vor allem auch das Outfit stimmen. Alle strahlenden Mitglieder der Familie in gedeckte helle Farbtöne gehüllt, keiner der Minimenschen hat auch nur den kleinsten Fleck auf der Kleidung. Was auch gut ist - denn die Bio-Seiden-Musselin-Walk-Samt-Gewänder dürfen eh nicht gewaschen werden. Macht nichts...dann werden die Jüngsten für jeden neuen Schnappschuss eben frisch eingekleidet. Und das traumhafte Häuschen ist so unfassbar ordentlich, sauber und wahnnsinnig stylisch, dass jede Otto-Normal-Mama in einen hysterischen Weinkrampf verfällt. Schwein gehabt! Dieser Druck fällt bei uns eindeutig weg. Und Hallo - da ist ja das süße Leben wieder!
Das hatten wir heute nach unserem Ausflug nach Loviisa (bestand vor allem in der Besichtigung eines riesigen Blätterhaufens) ganz besonders in dem wunderschönen Städtchen Porvoo, auch direkt an der Ostsee gelegen. Die zuckersüße Alstadt sah aus, als wäre sie geradewegs einer schwedischen Romanze entsprungen, die im sonnigen Italien gedreht wurde. La dolce vita in Reinform. Mit kleinen Lädchen, Boutiquen und Geschäften - voll wunderschönem Interieur, Vintageprodukten und ausgewähltem Spielzeug. Wie gut, dass heute Sonntag war - da drückte sich Madame die Nase nur an den Schaufenstern und nicht an der Kasse platt.
Ein klitzekleines Päuschen legten wir vor der Weiterfahrt noch in einem Kaffeehaus ein - dort konnte Monsieur endlich wieder dem geliebten Röststoff frönen...hatte Madame doch bereits auf dem Campingplatz in Sallatunturi den wertvollen Espressokocher nach dem Spülen stehen lassen.
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Ich habe fertig.
(Das ist mal ein Schlusswort - so ganz ohne Wortwitz-Schreib-Druck...).










